AFU

REGIONALES, PRIVATES FILMSCHAFFEN

AUF DER GROSSEN LEINWAND

Seit 2013 steht der Amateurfilm im Zentrum der von Mitarbeiter:innen und Freiwilligen des Vereins Lichtspiel organisierten Veranstaltung Home Movie Day. Am Home Movie Day können Privatpersonen ihre Schmalfilme von Fachpersonen begutachten und sich über konservatorische Massnahmen beraten lassen. Es geht aber vor allem darum, die Besonderheiten und den Wert von Amateurfilmen als historische Dokumente durch deren Projektion auf der Kinoleinwand wieder zu entdecken.

In Anlehnung an das Konzept des Home Movie Day haben wir zwischen 2020 und 2022 zehn Veranstaltungen in verschiedenen Gemeinden des Kantons Bern durchgeführt. Im Zentrum dieser Veranstaltungen standen zum einen die Filme, welche vom Publikum selbst mitgebracht wurden. Zum anderen hat das Lichtspiel die Gelegenheit genutzt und bereits archiviertes Amateurfilm-Material aus der entsprechenden Region an seinen Entstehungsort zurück gebracht.

Das Projekt wurde mit der Dernière am 5. November 2022 in Frutigen abgeschlossen. Aktuell sind wir daran zu planen, in welcher Form wir diese Veranstaltungen weiter anbieten können. Interessierte Gemeinden, Kulturorganisationen und Archive dürfen gerne mit uns Kontakt aufnehmen (afu@lichtspiel.ch).

VERANSTALTUNGSORTE 2020-2022

Ex-Bahnen, Max Sixt, 1968 S8 mm
Ex-Bahnen, Max Sixt, 1968 S8 mm

DER AMATEURFILM

 

Private Filmaufnahmen sind nicht nur im engen Freundes- und Familienkreis interessant, sondern sind von einer thematischen und formalen Vielfalt, die sie über diesen intimen Kreis hinaus spannend für ein breiteres Publikum machen. Amateurfilme sind wichtige regionale Zeitzeugen. Sie dokumentieren das Zusammenleben, gesellschaftliche Anlässe und politische Ereignisse, regionales Brauchtum und Handwerk verschiedener Epochen. Sie zeigen die Veränderungen, welche Landschaften und Ortschaften durch Wachstum oder Abwanderung erfahren haben. Mit dem privaten Blick auf Hochzeiten, Reisen und Ferien, öffentliche Ansprachen und wichtige lokale Ereignisse zeigen Amateurfilme Momentaufnahmen, welche Geschichtsbücher, Spielfilme und professionelle Dokumentationen über vergangene Zeiten nicht herstellen können.

Da gibt es zum Beispiel dokumentarische Amateurfilme wie der Film “Im Silberlicht der Blüemlisalp” vom Pfarrer Friedrich Alwin Hutzli aus Reichenbach. Hutzli dokumentierte in den 1930er Jahren Leben und Alltag der Bergbauern im Kiental, mehrheitlich auf viragierten und colorierten Lichtbildern. 1935 gestaltete er seinen einzigen 16mm-Film, in dem er das Kiental, seine Bewohner*innen und deren Alltag in eindrücklichen Bildern festhielt. Oder es gibt Tierfilme wie die von Elisabeth und Erwin Witschi, die mit Normal8-Film spektakuläre Nahaufnahmen von Insekten und Vögeln gemacht haben. Filmisch festgehalten wurden aber auch Feste und Umzüge, wie im Film “Bern in Blumen”, einem Film über den Blumenkinder-Umzug 1938 in Bern von Friedrich Marti, oder in Hans Stettlers Dokument des Festumzugs zum Landesschiessen 1951 in Langnau. Und es gibt natürlich die unzähligen Familienaufnahmen. Es sind genau diese Filme, die uns zeigen, wie das Leben damals war, was die Leute gegessen haben und wie sie gekleidet waren. Im Unwissen über zukünftige Veränderungen halten die teilweise verwackelten und mehr oder weniger zufälligen Aufnahmen nicht mehr Vorhandenes fest.

Um den Wert des Amateurfilms deutlich zu machen, müssen die Filme generationsübergreifend gesehen, kommentiert, diskutiert und öffentlich geteilt werden. Damit wird nicht zuletzt auch der Erhalt eines regionalen Gedächtnisses gefördert.

Le Brassus - Skispringen 2, Walter Frei
Le Brassus - Skispringen 2, Walter Frei

DIE VERANSTALTUNG

 

Unser mobiles Amateurkino wird die Gemeinden anreisen. Mit einem Kleinbus werden die verschiedenen Schmalfilmprojektoren, Beamer und Abspielgeräte für die digitale Projektion sowie diverses technisches und konservatorisches Material für die Sichtung der mitgebrachten Filme an den jeweiligen Veranstaltungsort gebracht. Drei Personen vom Lichtspiel werden pro Veranstaltung vor Ort sein. Eine Veranstaltung besteht aus zwei Teilen: dem konservatorischen Nachmittag und dem Amateurkinoabend.

 

Nachmittag – konservatorische Beratung und Sichtung der mitgebrachten Filme

Am Nachmittag wird während zwei bis drei Stunden eine konservatorische Beratung sowie die Möglichkeit der Sichtung der Filme angeboten. Die konservatorische Beratung soll den Besucher*innen eine Einschätzung geben, wie der Zustand ihres Filmmaterials ist, und sie zu Gründen und Möglichkeiten für die Konservierung von Amateurfilm sensibilisieren. Das fragile Filmmaterial ist auf Dachböden, in Kellern und Wohnzimmern in jedem Fall durch Zerfall bedroht. Je älter die Filme werden, umso häufiger kommt es vor, dass die Filme bereits Schäden aufzeigen und das Abspielen immer schwieriger wird, zumal auch die alten Projektoren nicht mehr in Schuss sind. Mit der Beratung wollen wir sicherstellen, dass die Besucher*innen nach dem Besuch unserer Veranstaltung wissen, wie sie ihre Filme lagern und welche weiteren Möglichkeiten es gibt, um die Filme und anderes kinematografisches Material längerfristig zu sichern. Der Erhalt und die Sammlung von Amateurfilmen ist eine der Kernaufgaben des Lichtspiels, und so verfügen wir auch über die entsprechende Fachkompetenz in der konservatorischen Beratung. Bei der Sichtung wird zunächst ein Zustandskontrolle des Filmmaterials durch ein*e Mitarbeiter*in des Lichtspiels gemacht. Ist das Material bereits stark geschrumpft? Gibt es Hinweise auf Essigsyndrom oder Schimmelbefall? Wenn nötig können bereits erste Sofortmassnahmen ergriffen werden, z. B. Absaugen von Schimmelsporen. Mit sogenannten Visioneusen und Lupen ist anschliessend eine filmschonende Sichtung möglich. Nicht selten wissen die Besucher*innen nicht oder nicht mehr, was genau auf den Filmen zu sehen ist, und die Filmdosen sind öfters unbeschriftet. Erlaubt es der Zustand des Films und ist der/die Besucher*in einverstanden, wird der Film für die analoge Projektion vorbereitet. Dies erfolgt wieder durch ein*e Mitarbeiter*in des Lichtspiels. Parallel zur Beratung und Sichtung werden die benötigten Projektoren sowie weiteres technisches Equipment für die Abendvorstellung aufgebaut.

 

Abend – Amateurkinoabend

Im Anschluss gibt es die Filmvorführung, welche ca. 60 Minuten dauert. Es werden mitgebrachte Filme und Filme aus dem Archiv des Lichtspiels gezeigt. Jeder Film wird entweder von den Mitarbeitenden des Lichtspiels oder von der Person, die den Film mitgebracht hat, eingeführt bzw. mit Kommentaren begleitet. Da die Amateure in dieser Zeit meistens, aber nicht ausschliesslich ohne Ton gefilmt haben, bietet es sich an, ungezwungen dazu zu erzählen. Für die Kontextualisierung der Filme ist es wichtig, dass die Filmenden oder deren Nachkommen bei der Projektion am Abend dabei sind und dazu ihre Erinnerungen erzählen.
Auch das Publikum ist aufgefordert die Bilder ergänzend zu kommentieren (Wo sind die Aufnahmen entstanden? Welche Personen sind zu sehen?). So werden gemeinsam Veränderungen und Details einer Region diskutiert und mit nicht erschlossenem Wissen ergänzt. Diese gemeinsame “Vertonung” der Filme soll auch zur Bewahrung einer lebendigen Oral-History-Kultur beitragen und die Besucher*innen generationenübergreifend in den Gedächtnisprozess der Region einbeziehen.

 

Zielpublikum

Die Veranstaltung richtet sich an Personen, welche sich für regionale Geschichte oder für das filmische Schaffen ausserhalb des kommerziellen Films interessieren. Personen, die Amateurfilme besitzen, aber keine Abspielgeräte mehr dazu haben, oder die nicht mehr wissen, wie sie die Geräte nutzen können. Personen, die Amateurfilme besitzen und mehr über Massnahmen zur Erhaltung ihrer Filme erfahren möchten. Nachkommen, die den Wert der Filme ihrer Gross- oder Urgrosseltern schätzen oder gerade erst entdecken.

Kontakt: afu@lichtspiel.ch

Herzlichen Dank für die Projektunterstützung!

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