Ovomaltine Werbungen – ein wohlbehüteter bernischer Schatz!

Timothé Olivier, 2021

« Ovomaltine ist Dynamik! » – Dieser wohlbekannte Leitspruch steht für das energetische Potential des bernischen Malzgetränks, welches von Dr. Georg Wander (1841-1897) geschaffen und ab 1904 von der Wander AG vermarktet worden war. Energie brauchte es auch eine Menge, um die mehreren hundert Ovomaltine-Filme, welche im Archiv des Lichtspiels sorgfältig aufbewahrt werden, zu erforschen. Seit 2004 werden nämlich alle Filmrollen der Firma Wander aus Neuenegg im Archiv der Lichtspiel Kinemathek Bern fachgerecht gelagert, restauriert, digitalisiert und gleichzeitig dem Publikum vorgeführt – eines der Hauptanliegen des Lichtspiels.

Seit 2016 sind die Ovomaltine-Filme erneut auf Interesse gestossen. Dank finanzieller Unterstützung durch Wander und Recherchen des Historikers Timothée Olivier konnten verschiedene Filme restauriert und in hoher Auflösung digitalisiert werden, auch wurden die Filme mehrmals dem Publikum vorgeführt und präsentiert.

Nicht alle Ovomaltine Werbungen haben den Slogan «dynamisch» verwendet – 1989 wird der Begriff aus den ersten Filmwerbungen der 1920er-Jahre wieder aufgenommen. Seither lässt die Muttergesellschaft der Ovomaltine die Vorzüge ihres stärkenden Produkts durch professionell produzierte Werbungen aus der Filmbranche anpreisen.

 

Über 58 Auftragsfilme wurden zwischen 1920 und 1960 durch rund fünfzehn unterschiedliche Produzenten hergestellt. Diese Produktionshäuser sind ein Aushängeschild für das Unternehmen, das sein Engagement für eine lokale Wirtschaft zeigen möchte. Ausserdem erteilt Wander Mandate an bekannte Filmproduzenten um die Werbungen in der ganzen Schweiz zu verbreiten, indem sie dem Publikum Filme von bekannten Namen präsentiert. Ab Mitte der 1930er-Jahre werden die Filme zudem mit Ton produziert, ein innovatives und kostspieliges Verfahren: Wander hinkt nicht hinterher, die Firma geht mit der Zeit, auch in ihren Werbespots!

Die Filme, welche zwischen einigen Sekunden und 83 Minuten dauern, sind sehr unterschiedlich. Sie preisen die Konsumation der Ovomaltine an, zeigen Konsumentinnen und Konsumenten aus allen Gesellschaftsschichten, ländlich, urban, gierig nach dem energiespendenden Getränk. Die Ovomaltine steht stets im Zentrum des Films, auch wenn das Produkt über die Jahre eher strategisch und weniger prominent platziert ist.

Generationenübergreifend und universell: alle trinken Ovomaltine! Die Kinder vor der Schule, der Vater am Abend, Sportlerinnen und Sportler, Pfadfinder und Pfadfinderinnen, Soldaten, Hausmeisterinnen und etwas später schliesslich auch die Frauen bei der Arbeit.  

Es sind die Frauen, die die Ovomaltine beschaffen. Sie sind es, die sie einkaufen, zunächst in der Apotheke (bis in die 1920er-Jahre), im Lebensmittelladen und schliesslich im Supermarkt. Sie kümmern sich auch um die Zubereitung. So finden sich in den Quellen des Wander Archivs Inserate und Ankündigungen von Abendveranstaltungen für Hausfrauen – mit Vorführung eines Werbefilms. Der Werbefilm, auch Propagandafilm genannt (man sprach auch von der Propaganda-Abteilung, was dem heutigen Marketing entspricht), steht im Mittelpunkt der an ein ausgewähltes Zielpublikum gerichteten Veranstaltung. Auch Vertreter der Firma Wander sind anwesend, Broschüren werden verteilt, die Ovomaltine wird in Gruppen degustiert und gemeinsam sieht man sich auch einen Film über das Malzgetränk an.

In den zwischen 1930 und 1960 produzierten Ovomaltine-Filmen finden sich ähnliche Themen – ein Markenzeichen der Firma. Das Getränk ist stets in den schweizerischen Regionen kontextualisiert, wo auch die Zutaten herkommen: Gerste (für den Malz), Milch und Eier. Der Kakao wird kaum erwähnt. Die Kühe, die die Milch produzieren, spazieren über Alpweiden, die Eier stammen von glücklichen Hühnern aus der Region, die Gerste wird sorgfältig angebaut und verarbeitet. Ein gesellschaftliches Ideal wird in den Filmen gezeigt und ein durchwegs helvetischer Patriotismus nimmt Gestalt an. Die Kommunikation für Ovomaltine stützt sich auf nationale Identitätsmerkmale. Darüber hinaus sind Transparenz und Hygiene wichtige Pfeiler der Ovomaltine-Propaganda.

Dem Konsumenten wird die Herstellung des Malzpulver präsentiert, gleichzeitig werden sein gesundheitliches Potenzial und die Risikofreiheit seines Verzehrs beweisen: Die Eier werden einzeln geprüft, die Milch antibakteriellen Tests unterzogen, Wissenschaftler arbeiten hart daran, ein Qualitätspulver für alle zu schaffen. Die Filme, welche Industriefilmcharakter aufweisen, werden Besuchenden der Fabrik in Neuenegg vorgeführt, richten sich an ein Fachpublikum, Chemikerinnen oder Wiederverkäufer, Studierende oder Ärztinnen und Ärzte – diese sind es schliesslich, die das wohltuende Getränk ihren Kundinnen und Patienten empfehlen.

Wander war natürlich auch an regionalen und nationalen Messen wie dem Comptoir Suisse in Lausanne vertreten, wo das Getränk mit Filmvorführungen und Degustationen angepriesen wurde. Die Filme wurden für  bis zu 2000 Personen pro Tag vorgeführt – zwischen 1930 und 1960 galten die Kinovorführungen von Wander als soziales und kulturelles Erlebnis, das man nicht verpassen durfte. Die weite Verbreitung in den Kinos in der ganzen Schweiz bewies es: man sieht sich einen Film gemeinsam an, und gemeinsam trinkt man auch Ovomaltine – in der Sportmannschaft, in der Familie oder unter Freunden.

                                                                                   Timothée Olivier

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